Auf Welcher Vorlage Basiert Comic Sans
Willkommen, liebe Freunde der Typografie und alle, die es noch werden wollen! Habt ihr euch jemals gefragt, woher diese allgegenwärtige Schriftart kommt, die entweder geliebt oder gehasst wird – Comic Sans? Ja, genau die, die man oft auf Geburtstagsfeiern, in Grundschulmaterialien und manchmal auch an Orten findet, wo sie vielleicht *nicht* hingehört. Lasst uns eintauchen in die überraschende Geschichte dieser polarisierenden Schrift.
Die Inspiration: Comics, natürlich!
Der Name ist Programm: Comic Sans. Der Schöpfer der Schriftart, Vincent Connare, war in den frühen 1990er Jahren bei Microsoft tätig. Seine Inspiration kam, wie der Name schon sagt, aus der Welt der Comics. Aber nicht irgendwelche Comics! Es geht um eine ganz bestimmte Quelle.
Die spezifische Vorlage: Watchmen und The Dark Knight Returns
Es ist wichtig zu verstehen, dass Comic Sans nicht einfach aus irgendeiner vagen Vorstellung von "Comics" entstanden ist. Connare hatte zwei ganz bestimmte Comic-Klassiker vor Augen: Alan Moores düstere Superhelden-Dekonstruktion Watchmen und Frank Millers bahnbrechenden The Dark Knight Returns (Die Rückkehr des Dunklen Ritters). Diese Graphic Novels, die beide in den 1980er Jahren erschienen sind, zeichnen sich durch ihre erwachsenen Themen und ihren anspruchsvollen Stil aus. Entscheidend ist aber die Art und Weise, wie die Texte in diesen Comics dargestellt wurden.
In beiden Graphic Novels, insbesondere in Watchmen, wurden die Texte in Sprechblasen und Gedankenblasen von Hand gezeichnet. Das Lettering – die Kunst, Text in Comics zu gestalten – ist ein wichtiger Bestandteil des visuellen Stils. Die Letterer (Texter) in diesen Werken verwendeten keine Computer-Schriftarten, sondern zeichneten jeden Buchstaben individuell. Das Ergebnis war ein etwas unregelmäßiges, handgeschriebenes Aussehen, das dem Comic eine organische und persönliche Note verlieh.
Connare war fasziniert von diesem Stil. Er fand, dass die maschinell erstellten Schriftarten, die damals in Microsoft-Produkten verwendet wurden, nicht zu dem informellen und spielerischen Ton passten, den er suchte.
"Ich wollte etwas, das die gleiche handschriftliche Anmutung hat wie in Watchmen und The Dark Knight Returns," erklärte Connare später in Interviews.
Der ursprüngliche Zweck: Microsoft Bob und Comic Chat
Ursprünglich war Comic Sans gar nicht für den allgemeinen Gebrauch bestimmt! Sie sollte exklusiv für das damals geplante Programm Microsoft Bob verwendet werden. Microsoft Bob war eine grafische Benutzeroberfläche, die den Umgang mit dem Computer für Anfänger erleichtern sollte. Die Idee war, dass Bob eine freundlichere und zugänglichere Alternative zur damals üblichen Windows-Oberfläche darstellen sollte. Die Schriftart sollte in Sprechblasen innerhalb der Anwendung verwendet werden, um den virtuellen Assistenten eine "menschlichere" Stimme zu verleihen.
Gleichzeitig entwickelte Microsoft ein Programm namens Comic Chat (später Microsoft Chat), ein grafisches Chatprogramm, in dem Benutzer als Avatare miteinander interagieren konnten. Auch hier sollte Comic Sans zum Einsatz kommen, um die Chat-Nachrichten in den Sprechblasen der Avatare darzustellen.
Allerdings wurde Comic Sans nicht rechtzeitig fertig, um in Microsoft Bob oder Comic Chat integriert zu werden. Stattdessen wurde die Schriftart in das Windows 95 Plus! Pack aufgenommen, einem Zusatzpaket, das zusätzliche Funktionen und Designs enthielt. Und von dort aus verbreitete sie sich wie ein Lauffeuer.
Warum Comic Sans so polarisiert
Die Geschichte von Comic Sans ist eng mit ihrer Verbreitung und ihrem (oftmaligen) Missbrauch verbunden. Ursprünglich für informelle und spielerische Zwecke gedacht, fand die Schriftart schnell ihren Weg in professionelle Dokumente, offizielle Ankündigungen und sogar geschäftliche Korrespondenz. Das Problem? Comic Sans hat eine lockere, fast kindliche Anmutung, die in vielen Kontexten völlig unangebracht wirkt.
Stell dir vor, du erhältst eine Kündigung oder eine Mahnung, die in Comic Sans verfasst ist. Oder eine wissenschaftliche Abhandlung. Oder die Speisekarte eines Sterne-Restaurants. Der Kontrast zwischen dem ernsten Inhalt und der verspielten Schriftart erzeugt eine Dissonanz, die von vielen als unangemessen, unprofessionell und sogar beleidigend empfunden wird.
Die Kritik an Comic Sans geht aber noch weiter. Viele bemängeln die schlechte Gestaltung der Schriftart selbst. Sie wird als unproportioniert, unharmonisch und schwer lesbar kritisiert. Insbesondere die Inkonsistenz in der Strichstärke und die ungewöhnlichen Formen einiger Buchstaben werden häufig angeführt.
"Comic Sans ist wie die Leggings der Schriftarten: Sie mag bequem sein, aber sie hat keinen Platz in der Öffentlichkeit." - Ein fiktives, aber treffendes Zitat.
Der Verteidigungsfall: Comic Sans als Werkzeug für Inklusion
Trotz der weit verbreiteten Kritik gibt es auch Befürworter von Comic Sans. Einige argumentieren, dass die Schriftart aufgrund ihrer einfachen Formen und der klaren Unterscheidung zwischen den Buchstaben für Menschen mit Legasthenie oder anderen Leseschwierigkeiten leichter lesbar ist. Es gibt sogar Studien, die diese These unterstützen. Die einfache, unkomplizierte Gestaltung kann den Leseprozess erleichtern und die kognitive Belastung reduzieren.
Darüber hinaus wird Comic Sans von einigen als eine Möglichkeit gesehen, Texte zugänglicher und freundlicher zu gestalten. In bestimmten Kontexten, z.B. bei der Kommunikation mit Kindern oder in informellen Mitteilungen, kann die Schriftart dazu beitragen, eine entspannte und einladende Atmosphäre zu schaffen.
Es ist also wichtig, die Verwendung von Comic Sans nicht pauschal zu verteufeln. Wie bei jeder Schriftart hängt die Eignung stark vom Kontext und dem Zweck ab.
Fazit: Comic Sans – Ein Phänomen der Popkultur
Comic Sans mag umstritten sein, aber eines ist sicher: Die Schriftart hat sich zu einem Phänomen der Popkultur entwickelt. Sie ist ein Symbol für schlechten Geschmack, für unprofessionelles Design und für die Macht der Schriftart, Emotionen auszulösen. Gleichzeitig ist sie aber auch ein Symbol für Zugänglichkeit, für Freundlichkeit und für die Möglichkeit, Konventionen zu brechen.
Wenn ihr also das nächste Mal auf Comic Sans stoßt, nehmt euch einen Moment Zeit, um über die Geschichte, die Kontroverse und die überraschende Inspiration hinter dieser Schriftart nachzudenken. Und vielleicht, nur vielleicht, könnt ihr die Entscheidung des Designers, sie zu verwenden, ein wenig besser verstehen.
Comic Sans in Deutschland: Ein etwas anderes Bild?
Interessanterweise scheint die Ablehnung von Comic Sans in Deutschland nicht ganz so ausgeprägt zu sein wie in anderen Ländern, insbesondere in den USA oder Großbritannien. Zwar gibt es auch hier Menschen, die die Schriftart ablehnen, aber sie wird oft toleranter betrachtet, insbesondere in informellen Kontexten oder im privaten Bereich. Dies mag an kulturellen Unterschieden in der Wahrnehmung von Professionalität und Formalität liegen. In Deutschland wird oft Wert auf Klarheit und Verständlichkeit gelegt, und in manchen Fällen kann Comic Sans diesen Zielen dienen.
Also, wenn ihr in Deutschland unterwegs seid und Comic Sans seht, seid nicht allzu überrascht. Es ist vielleicht einfach nur ein Zeichen für eine lockere und freundliche Atmosphäre.
Und vergesst nicht: Die Wahl der Schriftart ist immer eine Frage des Geschmacks und des Kontexts. Solange ihr eure Entscheidungen bewusst trefft und die Wirkung auf eure Zielgruppe berücksichtigt, könnt ihr mit jeder Schriftart – auch mit Comic Sans – ein positives Ergebnis erzielen.
