Joseph Von Eichendorff Bekannteste Gedichte

Joseph Freiherr von Eichendorff (1788-1857) zählt zu den bedeutendsten Dichtern und Schriftstellern der deutschen Romantik. Seine Werke, geprägt von Naturverbundenheit, religiöser Tiefe und einer sehnsuchtsvollen Weltsicht, erfreuen sich bis heute großer Beliebtheit. Besonders seine Gedichte sind fester Bestandteil des deutschen Kulturguts. Dieser Artikel stellt einige seiner bekanntesten Gedichte vor und erläutert ihre Themen und Motive, um deutschsprachigen Ausländern, Neuankömmlingen und Interessierten einen Einblick in Eichendorffs lyrisches Schaffen zu ermöglichen.
"Mondnacht"
"Mondnacht", entstanden vermutlich 1835, ist zweifellos eines von Eichendorffs berühmtesten Gedichten. Es verkörpert in vollendeter Weise die romantische Sehnsucht nach einer Verschmelzung von Natur und Seele. Das Gedicht beschreibt eine stille, von Mondlicht erfüllte Nacht, in der Himmel und Erde in Harmonie zueinander stehen.
Es war, als hätt' der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt'. Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis' die Wälder,
So sternklar war die Nacht. Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.
Die Schlüsselmotive des Gedichts sind die Verinnerlichung der Natur, die Sehnsucht nach Transzendenz und die Auflösung der Grenzen zwischen Innen- und Außenwelt. Die Personifikation der Natur (der Himmel küsst die Erde) und die Verwendung von lautmalerischen Wörtern ("rauschen," "wogten") verstärken die sinnliche Wirkung. Das Gedicht endet mit dem Bild der Seele, die sich befreit und "nach Haus" fliegt, was als Ausdruck der Sehnsucht nach einer höheren, spirituellen Ebene interpretiert werden kann. Die Einfachheit der Sprache und die einprägsamen Bilder tragen zur Popularität des Gedichts bei.
"Sehnsucht"
Auch "Sehnsucht" ist ein häufig zitiertes Gedicht Eichendorffs, das die romantische Wanderlust und die Unruhe des Herzens thematisiert. Es drückt die tiefe Sehnsucht nach Ferne und Abenteuer aus, die für viele Romantiker charakteristisch war.
Es schienen so golden die Sterne,
Am Fenster ich einsam stand
Und hörte aus weiter Ferne
Ein Posthorn im stillen Land. Das Herz mir im Leib entbrennte,
Da dacht' ich an frohe Zeit,
Und wie ich so lustig rennte
Mit dir in der grünen Heid'. Die Welt ging auf in dem Gesange,
Als wär' es ein holder Traum,
Der Frühling sproß aus dem Hange,
Und alles lachte im Sonnenschaum. Auch du, du gingst dahin so milde,
Im Morgenglanz der neuen Zeit,
Die Wünsche schwanden so gelinde,
Im Herzen tiefe Traurigkeit.
Das Gedicht beginnt mit einer nächtlichen Szene, in der der Sprecher am Fenster steht und dem Klang eines Posthorns lauscht. Dieser Klang weckt Erinnerungen an vergangene, glückliche Zeiten und löst eine tiefe Sehnsucht aus. Die Natur, insbesondere der Frühling, wird als Spiegel der inneren Empfindungen des Sprechers dargestellt. Die ambivalente Stimmung des Gedichts, die zwischen Freude und Traurigkeit schwankt, ist typisch für die Romantik. Die Verbindung von Natur, Erinnerung und Sehnsucht macht das Gedicht zu einem eindrucksvollen Ausdruck romantischer Gefühle.
"Das zerbrochene Ringlein"
"Das zerbrochene Ringlein", oft auch als Teil des Romans Aus dem Leben eines Taugenichts bekannt, ist ein Volkslied-ähnliches Gedicht, das den Schmerz einer verlorenen Liebe thematisiert. Es erzählt die Geschichte eines Wanderers, der sein geliebtes Ringlein verloren hat und nun in tiefer Trauer umherzieht.
In einem kühlen Grunde,
Da geht ein Mühlenrad;
Mein' Liebste wohnt darunter,
Die mir feins Leid hat g'macht. Sie hat mir Leid g'macht,
So manches bittere Stund';
Nun ist sie mir entrungen,
Ist weit, weit von mir 'raus. Ich möcht' als Spielmann reisen,
Und singen gar so fein;
Vor ihres Vaters Hause,
Da sollt' es ihr erschallen. Ich möcht' als Reiter fliegen,
Wohl in die Schlacht hinein;
Vor ihrem Angesichte,
Da möcht' ich tapfer sein. Wenn alles nun verloren,
So will ich wandern fort;
Bis an mein kühles Grabes,
Da ist mein rechter Ort.
Die Metapher des zerbrochenen Ringleins symbolisiert die zerbrochene Liebe und den Verlust des Glücks. Die einfache Sprache und die volksliedhafte Form machen das Gedicht besonders eingängig. Das Gedicht drückt die tiefe Verzweiflung und den Schmerz des Verlassenseins aus, aber auch den Wunsch, die verlorene Liebe zurückzugewinnen oder zumindest in Erinnerung zu bleiben. Der Mühlenbach als Ort der Erinnerung und des Leidens ist ein weiteres wichtiges Motiv.
"Abschied"
"Abschied" ist ein Gedicht, das die Melancholie und den Abschiedsschmerz des Wanderers thematisiert. Es beschreibt die Gefühle beim Verlassen eines vertrauten Ortes und den Aufbruch in eine ungewisse Zukunft.
O Täler weit, o Höhen,
O schöne grüne Welt!
Ihr seid mein Augentrost,
So lang mir's Leben gefällt. Es will mich fort von hier,
Mein trautes Elternhaus;
Nun fahr ich über Meer,
Grüß dich, du stilles Haus! Ade! du grüne Heide,
Ade! du stiller Wald!
Da draußen in der Weite,
Wohlauf, du frische Wald! Es rauschen die alten Eichen,
In banger dunkler Nacht;
Nun adeus, ihr alten Eichen,
Ade! zur guten Nacht!
Das Gedicht beginnt mit einer Lobpreisung der Natur und der heimatlichen Landschaft. Der Sprecher drückt seine Verbundenheit mit seiner Heimat aus, aber auch den unwiderstehlichen Drang, in die Ferne zu ziehen. Der Abschiedsschmerz wird durch die wiederholte Verwendung des Wortes "Ade!" (Adieu) betont. Die Natur, insbesondere die Eichen, wird als Zeuge des Abschieds dargestellt. Das Gedicht fängt die ambivalente Stimmung zwischen Wehmut und Aufbruchsstimmung ein, die für viele Eichendorff-Gedichte charakteristisch ist.
"Der Abend"
"Der Abend" ist ein stimmungsvolles Gedicht, das die Ruhe und Schönheit der Abenddämmerung beschreibt. Es vermittelt ein Gefühl von Frieden und Harmonie mit der Natur.
Schweigt der Menschen laute Lust:
Rauscht die Erde wie im Traum,
Wundertiefes Himmelsblaust,
Wiegt des Herzens tiefsten Raum. Freunde, nun ist es genug.
Wenn der müde Tag sich neigt,
Daß ein stiller Waldgesang
Freud und Leid ins Herz einschleicht. Wie so traulich und so hold
Ist die Welt bei dämmrungsschein!
Wie die Bilder goldner Zeit
Wandeln freundlich durch den Hain!
Das Gedicht beginnt mit dem Verstummen des menschlichen Lärms und dem Erwachen der Natur. Die Erde rauscht "wie im Traum," und der Himmel ist von einem "wundertiefen Himmelsblaust" erfüllt. Die Abenddämmerung wird als eine Zeit der Besinnung und der inneren Einkehr dargestellt. Die Natur wird zum Spiegel der Seele und vermittelt ein Gefühl von Frieden und Geborgenheit. Die Bilder der "goldner Zeit" erinnern an vergangene, glückliche Momente und tragen zur melancholischen Stimmung des Gedichts bei. Das Gedicht zeichnet ein ideales Bild der Natur und der menschlichen Seele im Einklang.
Diese Gedichte stellen nur eine kleine Auswahl aus Eichendorffs umfangreichem lyrischen Werk dar. Sie zeigen jedoch die zentralen Themen und Motive, die sein Schaffen prägen: die Naturverbundenheit, die Sehnsucht nach Ferne und Transzendenz, die Liebe zur Heimat und die Melancholie des Abschieds. Das Studium seiner Gedichte bietet einen wertvollen Einblick in die Welt der deutschen Romantik und in die tiefe menschliche Sehnsucht nach Sinn und Schönheit.

