Ich Wollte Eigentlich Aufhören Gemein Zu Sein

Liebe Reisende, Abenteurer und Neugierige,
Heute nehme ich euch mit auf eine ganz besondere Reise. Keine Sorge, wir verlassen weder Kontinente noch erklimmen wir hohe Berge. Diese Reise findet im Inneren statt, in den verschlungenen Pfaden meiner eigenen Seele. Es ist die Geschichte, wie ich beschloss, aufzuhören, gemein zu sein – vor allem zu mir selbst. Und wie sich dieser Entschluss auf meine Reisen und letztendlich mein ganzes Leben ausgewirkt hat.
Ich war schon immer eine Perfektionistin, ein Mensch, der hohe Erwartungen an sich selbst und an andere hatte. Das trieb mich an, viel zu erreichen, keine Frage. Ich habe ferne Länder erkundet, atemberaubende Landschaften gesehen und unzählige Kulturen kennengelernt. Aber hinter all den Fotos von strahlenden Sonnenuntergängen und exotischen Märkten verbarg sich oft ein kritischer innerer Dialog. Ein gnadenloser Richter, der jeden Fehler sezierte, jeden vermeintlichen Mangel hervorhob und mir ständig einflüsterte, ich sei nicht gut genug.
Erinnert ihr euch an das Gefühl, wenn ihr eine Sprache lernen wollt und euch ständig über eure Aussprache ärgert? Oder wenn ihr einen neuen Wanderweg ausprobiert und euch vorwerft, nicht fitter zu sein? Genau so war es bei mir, nur eben in Bezug auf alles. In Rom ätzte ich darüber, wie ungeschickt ich mein Eis verschüttete. In Thailand ärgerte ich mich über meine mangelnden Thai-Kenntnisse. Selbst beim Anblick der Pyramiden in Ägypten dachte ich: „Du hättest dich besser vorbereiten können!“
Es war ermüdend. Und ehrlich gesagt, es war auch ziemlich scheiße. Meine Reisen sollten Freude bereiten, Entspannung, Inspiration. Stattdessen waren sie oft von Selbstkritik und dem Gefühl, immer zu kurz zu kommen, überschattet. Ich wollte eigentlich aufhören, gemein zu sein, aber ich wusste nicht wie. Es war ein Muster, das sich tief in mein Denken eingebrannt hatte.
Der Wendepunkt
Der Wendepunkt kam unerwartet während einer Trekkingtour in Nepal. Wir waren mehrere Tage in den Bergen unterwegs, die Luft wurde dünner, die Muskeln schmerzten. Eines Abends, erschöpft und durchnässt vom Regen, saßen wir in einer einfachen Teehaus-Unterkunft. Ich blickte aus dem Fenster auf die majestätischen, schneebedeckten Gipfel des Himalayas. Die Schönheit war überwältigend. Aber anstatt mich daran zu erfreuen, erwischte ich mich dabei, wie ich dachte: „Du hättest besser trainieren sollen, dann würdest du es mehr genießen.“
In diesem Moment, umgeben von dieser atemberaubenden Natur, wurde mir bewusst, wie absurd mein innerer Kritiker war. Ich war in Nepal! Ich wanderte in den höchsten Bergen der Welt! Und alles, was ich tat, war, mich selbst zu verurteilen. Es war lächerlich. Und traurig.
Es war ein Moment der Klarheit. Ich erkannte, dass ich mir selbst die Freude an den Dingen nahm, die ich am meisten liebte. Ich begriff, dass ich mir erlauben musste, unvollkommen zu sein, Fehler zu machen und einfach den Moment zu genießen. Das war der Moment, in dem ich beschloss, etwas zu ändern.
Der Weg zur Veränderung
Der Weg war nicht einfach. Alte Gewohnheiten sterben langsam. Aber ich begann, bewusst an meiner inneren Haltung zu arbeiten. Hier sind ein paar Dinge, die mir geholfen haben:
- Achtsamkeit: Ich begann, auf meine Gedanken zu achten, insbesondere auf die negativen. Immer wenn ich mich dabei ertappte, mich selbst zu kritisieren, versuchte ich, innezuhalten und den Gedanken zu hinterfragen. War er wirklich wahr? War er hilfreich? Meistens war die Antwort nein.
- Selbstmitgefühl: Ich behandelte mich selbst mit der gleichen Freundlichkeit und dem gleichen Verständnis, das ich einem guten Freund entgegenbringen würde. Wenn ich einen Fehler machte, versuchte ich, ihn nicht zu verurteilen, sondern daraus zu lernen.
- Dankbarkeit: Ich begann, mir jeden Tag bewusst zu machen, wofür ich dankbar war. Das lenkte meinen Fokus von dem, was fehlte, auf das, was ich hatte. Das konnte etwas so Einfaches sein wie eine Tasse Kaffee am Morgen oder ein freundliches Lächeln von einem Fremden.
- Akzeptanz: Ich lernte, mich so zu akzeptieren, wie ich bin, mit all meinen Stärken und Schwächen. Ich erkannte, dass ich nicht perfekt sein muss, um wertvoll zu sein.
Es war ein Prozess. Es gab Rückschläge. Aber mit jedem Tag wurde es ein bisschen leichter, freundlicher zu mir selbst zu sein.
Die Auswirkungen auf meine Reisen
Die Veränderung in meiner inneren Haltung hatte einen enormen Einfluss auf meine Reisen. Plötzlich konnte ich die Momente viel intensiver erleben. Ich konnte die Schönheit der Landschaften ohne den ständigen inneren Dialog genießen. Ich konnte Fehler machen, ohne mich zu verurteilen. Ich konnte einfach sein.
In Marokko stolperte ich über einen belebten Souk und verlor mich in dem Labyrinth aus Gassen. Früher hätte ich mich geärgert und mich selbst als ungeschickt bezeichnet. Diesmal lachte ich einfach und fragte einen Einheimischen nach dem Weg. Er führte mich nicht nur zum Ausgang, sondern lud mich auch auf einen Minztee ein. Wir unterhielten uns eine Weile, und es war eine wunderbare Begegnung, die ich ohne meine veränderte Einstellung verpasst hätte.
In Island verirrte ich mich bei einer Wanderung und musste einige Stunden in der Kälte ausharren, bevor ich wieder den Weg fand. Früher hätte ich mich selbst für dumm und verantwortungslos gehalten. Diesmal nutzte ich die Zeit, um die Stille der Landschaft zu genießen und mich mit der Natur zu verbinden. Es war eine Erfahrung, die ich nie vergessen werde.
Ich lernte, dass Reisen nicht nur darum geht, Orte zu sehen, sondern auch darum, sich selbst besser kennenzulernen. Und ich entdeckte, dass die größte Herausforderung und die größte Belohnung darin liegt, freundlich zu sich selbst zu sein.
Meine Empfehlungen für dich
Wenn du also das nächste Mal auf Reisen bist (oder auch einfach nur zu Hause), versuche, dir Folgendes ins Gedächtnis zu rufen:
- Sei achtsam: Beobachte deine Gedanken und Gefühle. Was sagt dein innerer Kritiker? Ist er hilfreich?
- Sei mitfühlend: Behandle dich selbst mit Freundlichkeit und Verständnis. Was würdest du einem guten Freund sagen?
- Sei dankbar: Nimm dir jeden Tag Zeit, um dir bewusst zu machen, wofür du dankbar bist.
- Sei akzeptierend: Akzeptiere dich so, wie du bist, mit all deinen Stärken und Schwächen.
- Erlaube dir, Fehler zu machen: Fehler sind menschlich und eine Chance zum Lernen.
- Genieße den Moment: Konzentriere dich auf das Hier und Jetzt. Lass die Vergangenheit los und sorge dich nicht um die Zukunft.
Die Welt ist voller Wunder und Schönheit. Und du bist es auch. Erlaube dir, diese Schönheit zu erleben, ohne dich selbst zu verurteilen. Denn die größte Reise, die du jemals unternehmen wirst, ist die zu dir selbst.
Ich hoffe, meine Geschichte hat dich inspiriert. Und ich hoffe, dass du auf deinen Reisen und im Leben immer freundlich zu dir selbst bist.
Alles Liebe und gute Reise!

















