Muss Folgebescheinigung Vom Selben Arzt Sein

Die Frage, ob eine Folgebescheinigung vom selben Arzt ausgestellt werden muss, der bereits die Erstbescheinigung ausgestellt hat, ist ein häufig diskutiertes Thema im Kontext der Arbeitsunfähigkeit und des Krankengeldes in Deutschland. Die Antwort ist nicht immer eindeutig und hängt von verschiedenen Faktoren ab, die es im Detail zu betrachten gilt. Um dieses Thema umfassend zu beleuchten, widmen wir uns im Folgenden den relevanten Gesetzen, Vorschriften und praktischen Erwägungen.
Grundsatz der ärztlichen Behandlungsfreiheit
Zunächst ist es wichtig, den Grundsatz der ärztlichen Behandlungsfreiheit hervorzuheben. Dieser Grundsatz, verankert im Grundgesetz und in den Berufsordnungen der Ärzte, besagt, dass Patienten grundsätzlich das Recht haben, ihren Arzt frei zu wählen. Dies gilt auch im Falle einer Arbeitsunfähigkeit. Eine starre Vorschrift, die vorschreibt, dass jede Folgebescheinigung zwingend vom selben Arzt ausgestellt werden muss, würde diesen Grundsatz empfindlich einschränken.
Gesetzliche Rahmenbedingungen und Richtlinien
Das Sozialgesetzbuch V (SGB V) regelt die Krankenversicherung in Deutschland und enthält Bestimmungen zur Arbeitsunfähigkeit und zum Krankengeld. Das SGB V schreibt nicht explizit vor, dass Folgebescheinigungen zwingend vom selben Arzt ausgestellt werden müssen. Allerdings ist im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung geregelt, dass die Krankenkassen in der Regel eine kontinuierliche und koordinierte Behandlung ihrer Versicherten anstreben. Dies impliziert, dass es im Interesse des Patienten und der Krankenkasse liegen kann, wenn der behandelnde Arzt die Arbeitsunfähigkeit fortlaufend beurteilt und bescheinigt.
Die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (AU-Richtlinie) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) präzisiert die Vorgaben des SGB V und dient als Leitfaden für Ärzte bei der Feststellung und Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit. Auch die AU-Richtlinie enthält keine zwingende Vorschrift, dass Folgebescheinigungen vom selben Arzt ausgestellt werden müssen. Sie betont jedoch die Bedeutung der Kontinuität der Behandlung und der Kenntnis des Krankheitsverlaufs. Ein Arzt, der den Patienten bereits kennt und behandelt, ist in der Regel besser in der Lage, die Arbeitsunfähigkeit adäquat zu beurteilen.
Wann ist ein Arztwechsel unproblematisch?
Ein Arztwechsel bei der Ausstellung von Folgebescheinigungen ist in folgenden Fällen in der Regel unproblematisch:
- Urlaubs- oder Krankheitsbedingte Abwesenheit des behandelnden Arztes: Ist der behandelnde Arzt im Urlaub oder krank, kann ein anderer Arzt die Folgebescheinigung ausstellen. Dies ist eine gängige Praxis und wird von den Krankenkassen in der Regel akzeptiert.
- Überweisung an einen Facharzt: Wenn eine Weiterbehandlung durch einen Facharzt erforderlich ist (z.B. bei orthopädischen Problemen), kann der Facharzt die Folgebescheinigung ausstellen. Dies ist sogar sinnvoll, da der Facharzt über spezialisiertes Wissen und Expertise verfügt.
- Umzug des Patienten: Wenn der Patient umgezogen ist und keinen Zugang mehr zum bisherigen Arzt hat, ist es selbstverständlich, dass ein neuer Arzt die Folgebescheinigungen ausstellt.
- Vertrauensverlust zum bisherigen Arzt: Wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt gestört ist, hat der Patient das Recht, einen anderen Arzt aufzusuchen und sich von diesem behandeln und krankschreiben zu lassen.
Wann kann es zu Problemen kommen?
Probleme können entstehen, wenn der Arztwechsel unbegründet oder häufig erfolgt. Krankenkassen sind berechtigt, die Auszahlung von Krankengeld zu verweigern, wenn sie den Eindruck haben, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht rechtmäßig festgestellt wurde. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Patient häufig den Arzt wechselt, ohne dass dafür ein nachvollziehbarer Grund vorliegt. In solchen Fällen kann die Krankenkasse eine ärztliche Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) veranlassen.
Die Rolle des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK)
Der MDK ist ein unabhängiger Gutachterdienst, der von den Krankenkassen beauftragt wird, die Arbeitsunfähigkeit von Versicherten zu überprüfen. Wenn die Krankenkasse Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Arbeitsunfähigkeit hat, kann sie den MDK einschalten. Der MDK begutachtet dann die medizinischen Unterlagen und untersucht den Patienten gegebenenfalls persönlich. Auf Grundlage dieser Begutachtung erstellt der MDK ein Gutachten, das der Krankenkasse als Entscheidungsgrundlage dient. Es ist wichtig zu beachten, dass der MDK keine unmittelbare Weisungsbefugnis gegenüber dem behandelnden Arzt hat. Er gibt lediglich eine Empfehlung ab, die die Krankenkasse bei ihrer Entscheidung berücksichtigt.
Empfehlungen für Patienten
Um Probleme mit der Krankenkasse zu vermeiden, sollten Patienten folgende Empfehlungen beachten:
- Begründung für den Arztwechsel: Wenn ein Arztwechsel erforderlich ist, sollte der Patient der Krankenkasse den Grund dafür mitteilen. Dies kann beispielsweise durch einen kurzen Hinweis auf dem Krankenschein oder durch ein kurzes Telefonat mit der Krankenkasse erfolgen.
- Kontinuität der Behandlung anstreben: Soweit möglich, sollte der Patient versuchen, die Behandlung bei einem Arzt fortzusetzen, der mit seiner Krankengeschichte vertraut ist. Dies erleichtert die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und vermeidet unnötige Nachfragen durch die Krankenkasse.
- Offene Kommunikation mit der Krankenkasse: Bei Fragen oder Unklarheiten sollte der Patient sich direkt an seine Krankenkasse wenden. Eine offene Kommunikation kann Missverständnisse vermeiden und zu einer schnellen Klärung beitragen.
- Ärztliche Unterlagen aufbewahren: Der Patient sollte alle relevanten ärztlichen Unterlagen (z.B. Arztberichte, Befunde) sorgfältig aufbewahren, um diese bei Bedarf der Krankenkasse oder dem MDK vorlegen zu können.
Zusammenfassung und Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Folgebescheinigung nicht zwingend vom selben Arzt ausgestellt werden muss, der bereits die Erstbescheinigung ausgestellt hat. Der Grundsatz der ärztlichen Behandlungsfreiheit erlaubt es dem Patienten, seinen Arzt frei zu wählen. Allerdings sollte der Arztwechsel begründet und nicht zu häufig erfolgen, um Probleme mit der Krankenkasse zu vermeiden. Eine kontinuierliche Behandlung durch einen Arzt, der mit der Krankengeschichte des Patienten vertraut ist, ist in der Regel von Vorteil. Bei Unsicherheiten sollte der Patient sich direkt an seine Krankenkasse wenden, um Klarheit zu schaffen. Eine offene Kommunikation und die sorgfältige Aufbewahrung relevanter ärztlicher Unterlagen tragen dazu bei, einen reibungslosen Ablauf der Krankengeldzahlung zu gewährleisten. Die kontinuierliche, nachvollziehbare Dokumentation und Begründung jedes Arztwechsels ist hierbei der Schlüssel zum Erfolg.
Es ist ratsam, sich im Zweifelsfall rechtlichen Rat einzuholen, um sicherzustellen, dass alle Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit der Arbeitsunfähigkeit und dem Krankengeld gewahrt werden.

















