Warum Wir Uns Immer In Den Falschen Verlieben

Die Frage, warum wir uns immer wieder in die "falschen" Menschen verlieben, ist ein uraltes Rätsel, das Philosophen, Psychologen und natürlich jeden von uns, der schon einmal Herzschmerz erlebt hat, beschäftigt. Es ist eine Frage, die nicht mit einer einfachen Antwort zu belegen ist, sondern vielmehr ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren widerspiegelt. Eine Art innere Ausstellung, in der unsere Vergangenheit, unsere Ängste, unsere Wünsche und unsere unbewussten Muster aufeinandertreffen und die Regie in unseren Liebesentscheidungen führen.
Die Ausstellung der Prägungen: Kindheit und frühe Beziehungen
Wie bei jedem guten Museum beginnt der Rundgang mit der Vergangenheit. Unsere Kindheit und die frühen Beziehungen zu unseren Eltern oder primären Bezugspersonen prägen uns auf tiefgreifende Weise. Diese frühen Erfahrungen bilden eine Art Blaupause für zukünftige Beziehungen, oft unbewusst. Wenn wir in einer Umgebung aufgewachsen sind, in der Zuneigung unregelmäßig war, Bedürfnisse nicht erfüllt wurden oder wir emotionaler Vernachlässigung ausgesetzt waren, kann dies dazu führen, dass wir uns später zu Partnern hingezogen fühlen, die ähnliche Muster der Verfügbarkeit oder Unverfügbarkeit verkörpern.
Diese Anziehung ist nicht unbedingt masochistisch, sondern oft ein Versuch, die alten Wunden zu heilen. Wir suchen unbewusst nach Situationen, die uns bekannt vorkommen, in der Hoffnung, diesmal ein anderes, besseres Ergebnis zu erzielen. Der Partner, der emotional distanziert ist, erinnert vielleicht an den Vater, der nie Zeit hatte; die Partnerin, die ständig kritisiert, an die Mutter, die nie zufrieden war. Wir versuchen, das Drehbuch umzuschreiben, doch oft spielen wir nur dieselbe Szene erneut.
Ein entscheidender Aspekt ist hier die Entwicklung unseres Selbstwertgefühls. Kinder, die bedingungslose Liebe und Akzeptanz erfahren, entwickeln ein starkes Selbstwertgefühl und sind eher in der Lage, gesunde Beziehungen einzugehen. Kinder, die hingegen das Gefühl haben, sich Liebe verdienen zu müssen oder nicht "gut genug" zu sein, neigen eher dazu, Partner zu wählen, die dieses negative Selbstbild bestätigen. Sie akzeptieren Misshandlung oder emotionale Vernachlässigung, weil sie glauben, nichts Besseres zu verdienen. Dieses Muster ist tief verwurzelt und erfordert oft therapeutische Intervention, um es zu durchbrechen.
Der Saal der Sehnsüchte: Unerfüllte Bedürfnisse und Fantasien
Neben den Prägungen der Vergangenheit spielt auch unsere gegenwärtige Bedürfnislandschaft eine entscheidende Rolle. Wir alle haben unerfüllte Bedürfnisse, Sehnsüchte und Fantasien, die uns antreiben. Manchmal suchen wir in Beziehungen die Erfüllung dieser Bedürfnisse, oft auf unrealistische Weise. Wir projizieren unsere Wünsche und Erwartungen auf den Partner und übersehen dabei seine tatsächlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen.
Beispielsweise mag sich jemand, der sich nach Abenteuer und Aufregung sehnt, zu einem Partner hingezogen fühlen, der unberechenbar und risikofreudig ist. Die anfängliche Anziehungskraft mag auf der Erfüllung dieser Sehnsucht beruhen, doch mit der Zeit kann die Unberechenbarkeit des Partners zu Stress und Unsicherheit führen. Die romantische Fantasie kollidiert mit der Realität.
Ebenso kann die Sehnsucht nach Perfektion dazu führen, dass wir uns in Partner verlieben, die oberflächlich betrachtet ideal erscheinen, aber in Wirklichkeit emotional unerreichbar sind. Wir idealisieren den Partner und blenden seine Fehler aus, bis die Realität unweigerlich einbricht. Die Enttäuschung ist dann umso größer.
Die Schattenseiten der Projektion
Besonders tückisch ist das Phänomen der Projektion. Wir projizieren unsere eigenen unbewussten Anteile – positive wie negative – auf den Partner. Wir sehen in ihm, was wir in uns selbst nicht wahrhaben wollen oder können. So kann es passieren, dass wir uns zu jemandem hingezogen fühlen, der Eigenschaften verkörpert, die wir an uns selbst verurteilen oder unterdrücken. Umgekehrt können wir uns in jemanden verlieben, der uns an unsere eigenen idealisierten Selbstbilder erinnert.
Die Projektion ist ein komplexer Abwehrmechanismus, der uns vor der Auseinandersetzung mit unseren eigenen inneren Konflikten bewahren soll. Sie führt jedoch oft dazu, dass wir den Partner nicht so sehen, wie er wirklich ist, sondern wie wir ihn sehen wollen. Die Folge sind Missverständnisse, Enttäuschungen und letztlich das Scheitern der Beziehung.
Das Labyrinth der Ängste: Bindungsangst und Verlustangst
In den verwinkelten Gängen dieser inneren Ausstellung lauert auch die Angst. Bindungsangst und Verlustangst sind zwei gegensätzliche, aber gleichermaßen mächtige Kräfte, die unsere Partnerwahl beeinflussen können. Menschen mit Bindungsangst fürchten sich vor Nähe und Intimität. Sie vermeiden enge Beziehungen oder sabotieren sie unbewusst, indem sie sich zu Partnern hingezogen fühlen, die emotional unerreichbar oder bereits anderweitig gebunden sind. Diese Distanz hält die Angst vor dem Kontrollverlust und der emotionalen Abhängigkeit in Schach.
Auf der anderen Seite stehen Menschen mit Verlustangst, die eine übermäßige Angst vor dem Verlassenwerden haben. Sie klammern sich an den Partner, kontrollieren ihn und sind ständig auf der Suche nach Bestätigung. Sie neigen dazu, Partner zu wählen, die ambivalent sind und ihnen die ersehnte Sicherheit nicht geben können. Dieses Muster wiederholt sich, da die Verlustangst die Partner förmlich wegstößt.
Beide Ängste führen zu dysfunktionalen Beziehungsmustern und verhindern, dass wir gesunde, erfüllende Beziehungen eingehen können. Die Überwindung dieser Ängste erfordert Selbsterkenntnis, Mut und oft auch professionelle Hilfe.
Der Ausgang: Selbsterkenntnis und Veränderung
Der Besuch dieser inneren Ausstellung mag schmerzhaft sein, doch er ist notwendig, um die Muster zu erkennen, die uns immer wieder in die "falschen" Beziehungen führen. Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Veränderung. Indem wir unsere Prägungen, unsere Bedürfnisse, unsere Ängste und unsere Projektionen verstehen, können wir bewusstere Entscheidungen treffen und uns von den unbewussten Mustern befreien.
Dies bedeutet nicht, dass wir uns selbst für unsere vergangenen Fehler verurteilen sollen. Vielmehr geht es darum, Verantwortung für unser eigenes Handeln zu übernehmen und zu lernen, gesündere Beziehungen zu gestalten. Es bedeutet, sich dem Schmerz der Vergangenheit zu stellen, die unerfüllten Bedürfnisse zu erkennen und zu lernen, sie auf gesunde Weise zu befriedigen. Es bedeutet auch, sich seinen Ängsten zu stellen und zu lernen, mit ihnen umzugehen.
Der Weg zu gesunden Beziehungen ist ein Prozess, der Zeit, Geduld und Selbstmitgefühl erfordert. Es ist ein Weg, der uns zu uns selbst führt, zu einem tieferen Verständnis unserer eigenen Bedürfnisse und Wünsche. Und letztendlich ist es ein Weg, der uns in die Lage versetzt, Liebe zu erfahren, die uns nährt und uns wachsen lässt.
"Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten." - Albert Einstein.
Um aus dem Kreislauf der "falschen" Beziehungen auszubrechen, müssen wir neue Wege gehen, neue Entscheidungen treffen und neue Erfahrungen machen. Wir müssen lernen, uns selbst zu lieben und zu akzeptieren, mit all unseren Fehlern und Unvollkommenheiten. Denn erst wenn wir uns selbst lieben, können wir auch andere lieben und von anderen geliebt werden, auf eine Weise, die uns wirklich erfüllt.

















