Gibt Es Hitzefrei Auf Der Arbeit

Wenn die Sommerhitze in Deutschland unerträglich wird, fragen sich viele Arbeitnehmer, ob es auch am Arbeitsplatz eine Art "Hitzefrei" gibt, ähnlich wie in der Schule. Die Antwort ist etwas komplexer als ein einfaches Ja oder Nein. Es gibt kein automatisches Recht auf Hitzefrei am Arbeitsplatz im deutschen Arbeitsrecht. Dennoch hat der Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Angestellten, die beinhaltet, für ein gesundes und sicheres Arbeitsumfeld zu sorgen.
Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Die Grundlage für den Arbeitsschutz bei Hitze bildet das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und die dazugehörigen Verordnungen, insbesondere die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Diese Gesetze definieren die Pflichten des Arbeitgebers, die Gesundheit seiner Mitarbeiter zu schützen. Konkret bedeutet das:
- Gefährdungsbeurteilung: Der Arbeitgeber muss eine Gefährdungsbeurteilung durchführen, um potenzielle Gefahren durch Hitze am Arbeitsplatz zu identifizieren.
- Maßnahmen zur Reduzierung der Belastung: Basierend auf der Gefährdungsbeurteilung muss der Arbeitgeber geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Hitzebelastung zu reduzieren.
Was sind nun diese geeigneten Maßnahmen? Die ArbStättV gibt hier einige konkrete Hinweise:
- Sonnenschutz: Beschattungseinrichtungen wie Jalousien oder Rollos an Fenstern, um direkte Sonneneinstrahlung zu vermeiden.
- Lüftung: Eine effektive Lüftung des Arbeitsplatzes, entweder natürlich (durch geöffnete Fenster) oder mechanisch (durch Klimaanlagen oder Ventilatoren).
- Klimaanlage: Falls notwendig, Installation und Betrieb einer Klimaanlage.
- Trinkwasser: Bereitstellung von ausreichend Trinkwasser für die Mitarbeiter.
- Arbeitszeitgestaltung: Anpassung der Arbeitszeiten, z.B. durch Vorverlegung der Arbeitszeiten in die kühleren Morgenstunden oder durch zusätzliche Pausen.
- Geeignete Arbeitskleidung: Empfehlung oder Bereitstellung von leichter, atmungsaktiver Arbeitskleidung.
- Information und Unterweisung: Information der Mitarbeiter über die Gefahren von Hitze und über die getroffenen Schutzmaßnahmen.
Die Technische Regel für Arbeitsstätten (ASR) A3.5 "Raumtemperatur" konkretisiert die Anforderungen der ArbStättV bezüglich der Raumtemperatur. Sie enthält Richtwerte und Maßnahmenempfehlungen.
Die ASR A3.5 und Raumtemperaturen
Die ASR A3.5 definiert folgende Richtwerte für Raumtemperaturen:
- Bis 26 Grad Celsius: Die Raumtemperatur ist in der Regel unbedenklich.
- Über 26 Grad Celsius: Der Arbeitgeber muss Maßnahmen ergreifen, um die Belastung zu reduzieren (siehe oben).
- Über 30 Grad Celsius: Es müssen zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, z.B. Lockerung der Bekleidungsregeln, zusätzliche Pausen, Bereitstellung von Ventilatoren, Reduzierung körperlicher Anstrengung.
- Über 35 Grad Celsius: Der Arbeitsraum ist nicht mehr als Arbeitsraum geeignet, es sei denn, es werden wirksame Maßnahmen ergriffen, um die Belastung zu reduzieren (z.B. Klimaanlage).
Wichtig: Diese Werte sind Richtwerte, keine absoluten Grenzwerte. Die individuelle Belastung durch Hitze hängt von verschiedenen Faktoren ab, z.B. der körperlichen Anstrengung, der Art der Tätigkeit, dem Alter und Gesundheitszustand des Mitarbeiters. Der Arbeitgeber muss diese individuellen Faktoren bei der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigen.
Was können Arbeitnehmer tun?
Auch Arbeitnehmer haben eine Mitwirkungspflicht. Das bedeutet:
- Hinweis auf Missstände: Wenn Sie der Meinung sind, dass die Hitzebelastung am Arbeitsplatz zu hoch ist und keine ausreichenden Schutzmaßnahmen ergriffen werden, sollten Sie dies Ihrem Arbeitgeber oder dem Betriebsrat melden.
- Einhaltung der Schutzmaßnahmen: Halten Sie sich an die Anweisungen des Arbeitgebers bezüglich der Schutzmaßnahmen (z.B. Tragen von geeigneter Kleidung, regelmäßiges Trinken).
- Eigenverantwortung: Achten Sie auf Ihren Körper und Ihre Gesundheit. Machen Sie Pausen, trinken Sie ausreichend und informieren Sie Ihren Arbeitgeber, wenn Sie sich unwohl fühlen.
Sollte der Arbeitgeber trotz der Hinweise der Mitarbeiter keine ausreichenden Maßnahmen ergreifen, können sich Arbeitnehmer an die zuständige Aufsichtsbehörde (z.B. das Gewerbeaufsichtsamt) wenden. Diese Behörde kann den Arbeitgeber zur Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften auffordern und gegebenenfalls Bußgelder verhängen.
Hitzefrei im Büro oder auf der Baustelle?
Wie bereits erwähnt, gibt es kein automatisches Recht auf Hitzefrei. Ob der Arbeitgeber die Arbeit bei extremer Hitze tatsächlich einstellt, liegt in seinem Ermessen. Allerdings muss er, wie oben beschrieben, die Gesundheit seiner Mitarbeiter schützen. Das bedeutet, dass er alternativen anbieten muss, wenn die Arbeit bei den herrschenden Temperaturen nicht mehr zumutbar ist. Dies kann beispielsweise:
- Verlegung der Arbeit in kühlere Räume
- Reduzierung der Arbeitszeit
- Gewährung zusätzlicher Pausen
- Einstellung der Arbeit und Bezahlung der Arbeitszeit (selten)
Auf Baustellen gelten oft besondere Regelungen, da die Hitzebelastung hier besonders hoch sein kann. Hier sind die Arbeitgeber besonders in der Pflicht, für ausreichenden Sonnenschutz und Trinkwasser zu sorgen. Auch hier gilt: Es gibt kein automatisches "Hitzefrei", aber der Arbeitgeber muss die Arbeit so organisieren, dass die Gesundheit der Mitarbeiter nicht gefährdet wird.
Zusammenfassend
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es in Deutschland kein automatisches Recht auf Hitzefrei am Arbeitsplatz gibt. Allerdings hat der Arbeitgeber eine umfassende Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern, die ihn verpflichtet, für ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld zu sorgen. Bei hohen Temperaturen bedeutet das, dass er geeignete Maßnahmen ergreifen muss, um die Hitzebelastung zu reduzieren. Arbeitnehmer können und sollten auf Missstände hinweisen und sich im Zweifelsfall an die zuständige Aufsichtsbehörde wenden.
Es ist wichtig zu betonen, dass die konkreten Maßnahmen immer von den individuellen Umständen des Arbeitsplatzes abhängen. Eine allgemeingültige Regelung, wann genau "Hitzefrei" gegeben werden muss, gibt es nicht. Die Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist hier entscheidend, um gemeinsam eine Lösung zu finden, die die Gesundheit der Mitarbeiter schützt und gleichzeitig die betrieblichen Abläufe gewährleistet.
Merke: Prävention ist besser als Reaktion. Sorgen Sie als Arbeitgeber rechtzeitig für geeignete Schutzmaßnahmen und informieren Sie Ihre Mitarbeiter über die Gefahren von Hitze. Achten Sie als Arbeitnehmer auf Ihren Körper und melden Sie Missstände Ihrem Arbeitgeber.
Durch eine offene Kommunikation und die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften kann die Hitzebelastung am Arbeitsplatz reduziert und die Gesundheit der Mitarbeiter geschützt werden.



