Der Besuch Der Alten Dame Innerer Monolog

Hallo, ihr Lieben! Heute nehme ich euch mit auf eine etwas andere Reise. Keine strahlenden Strände, keine pulsierenden Metropolen, sondern ein Trip in die düstere Welt von Friedrich Dürrenmatts Der Besuch der alten Dame. Aber keine Sorge, es wird nicht staubtrocken! Ich möchte euch erzählen, wie mich dieses Stück Theater berührt hat – und zwar durch den etwas ungewöhnlichen Zugang: den inneren Monolog von Alfred Ill, dem tragischen Helden.
Ich weiß, Theater klingt erstmal nach "Pflichtprogramm" und nicht nach "aufregendem Reiseabenteuer". Aber lasst mich euch versichern, diese Inszenierung war anders. Sie hat mich gepackt, mitgenommen und zum Nachdenken angeregt. Und der Schlüssel dazu war, für mich zumindest, die Möglichkeit, mich in Alfred Ill hineinzuversetzen. Stellt euch vor, ihr steht an seiner Stelle, ihr seid Ill, und die ganze Stadt, euer ganzes Leben, bricht um euch herum zusammen.
Der Tag, an dem die Welt sich verdunkelte
Alles beginnt ja eigentlich ganz harmlos. Die kleine, heruntergekommene Stadt Güllen erwartet den Besuch von Claire Zachanassian, einer steinreichen Milliardärin, die einst als Klara Wäscher dort aufgewachsen ist. Die Hoffnung ist groß, dass sie der Stadt, die kurz vor dem Ruin steht, finanziell unter die Arme greifen wird. Und dann kommt der Knaller: Claire Zachanassian ist bereit zu spenden, aber nur unter einer Bedingung: Alfred Ill soll sterben. Er, ihr Jugendfreund, der sie einst schwängerte und dann vor Gericht leugnete, der sie zur Prostitution trieb.
Ich erinnere mich genau an den Moment, als ich mir vorgestellt habe, in Alfred Ills Kopf zu sein. Es war nach der ersten Konfrontation mit Claire Zachanassian. Die Luft war zum Schneiden dick. Die Anspannung in der Stadt war greifbar. Die Euphorie über die vermeintliche Rettung wandelte sich in Entsetzen und schließlich in eine unheimliche, stillschweigende Übereinkunft. Hier ist mein Versuch, Ills Gedanken in diesem Moment einzufangen:
Was... was hat sie gesagt? Eine Milliarde für Güllen, wenn ich tot bin? Das kann doch nicht wahr sein! Das ist doch ein Albtraum! Klara... Claire... Warum tut sie das? Was habe ich ihr angetan, dass sie mich so hasst? Ja, ich habe einen Fehler gemacht, vor so langer Zeit. Aber das ist doch verjährt, oder nicht? Ich war jung, dumm... und hatte Angst.
Erinnert ihr euch an das Gefühl, wenn ihr etwas wirklich Schlimmes falsch gemacht habt und die Angst euch den Hals zuschnürt? Diese Panik, diese Ohnmacht. Das ist, was Ill in diesem Moment durchmacht. Er versucht, die Situation zu rationalisieren, zu verdrängen. Er klammert sich an die Hoffnung, dass die Güllener ihn beschützen werden, dass sie nicht auf dieses unmoralische Angebot eingehen werden.
Die Fassade bröckelt
Aber dann beginnt die Fassade zu bröckeln. Zuerst sind es nur Kleinigkeiten: Die Leute kaufen auf Kredit, sie tragen neue Schuhe, sie leisten sich Dinge, die sie sich vorher nie hätten leisten können. Ill wird misstrauisch, er beobachtet die Veränderungen in seinem Umfeld. Er spürt, dass sich etwas zusammenbraut, dass die Stadt langsam gegen ihn arbeitet.
Ich stelle mir vor, wie er Nachts wach liegt, die Bilder der neuen Schuhe, der neuen Kleider vor Augen. Wie er die Gespräche flüstern hört, die verstohlenen Blicke bemerkt. Sein innerer Monolog in dieser Phase wäre wahrscheinlich von Ungewissheit und wachsender Angst geprägt:
Was geht hier vor? Warum lächeln die mich so komisch an? Die neuen Schuhe... das neue Radio... woher haben die das Geld? Sie sagen, sie hätten gewonnen, im Lotto. Aber so viele Gewinner auf einmal? Das kann doch kein Zufall sein! Sie wollen es, oder? Sie wollen das Geld, und dafür bin ich bereit zu sterben. Aber... warum? Warum ich? Ich bin doch einer von ihnen!
Der Verrat seiner Mitbürger ist für Ill der schmerzhafteste Aspekt der ganzen Situation. Er hat sein Leben lang in Güllen gelebt, er hat die Menschen gekannt, er hat ihnen vertraut. Und jetzt, wo sein Leben in Gefahr ist, wenden sie sich gegen ihn. Das ist eine bittere Lektion über die menschliche Natur, über die Macht des Geldes und über die Korrumpierbarkeit einer Gemeinschaft.
Die Akzeptanz des Unvermeidlichen
Je näher der Tag der "Gerichtsbarkeit" rückt, desto deutlicher wird Ill, dass er keine Chance hat. Er versucht, sich zu wehren, er geht zur Polizei, zum Bürgermeister, aber niemand will ihm helfen. Im Gegenteil, er wird immer offener gemieden, ausgegrenzt. Schließlich kommt er zu der Einsicht, dass sein Schicksal besiegelt ist.
Und hier kommt der Punkt, der mich am meisten berührt hat. Ill findet Frieden, er akzeptiert sein Schicksal. Er erkennt, dass er für seine Taten in der Vergangenheit Verantwortung tragen muss. Er kapituliert nicht aus Feigheit, sondern aus einer Art tiefem Verständnis für die Zusammenhänge.
Es ist vorbei. Ich kann nicht mehr fliehen. Sie wollen mich tot sehen, und sie werden bekommen, was sie wollen. Aber ich werde ihnen nicht die Genugtuung geben, mich flehend am Boden zu sehen. Ich werde aufrecht sterben. Vielleicht ist das meine Strafe, vielleicht ist es aber auch eine Art Erlösung. Ich habe Mist gebaut, und ich muss dafür bezahlen. Aber ich hoffe, dass mein Tod wenigstens etwas Positives bewirkt, dass er die Güllener zum Nachdenken anregt, dass sie lernen, aus meinen Fehlern zu lernen. Ich bin bereit.
Diese Akzeptanz, diese innere Ruhe, die Ill am Ende findet, ist unglaublich bewegend. Er hat seine Angst überwunden, er hat sich mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt, und er hat Frieden mit sich selbst geschlossen. Sein Tod ist tragisch, aber er ist auch eine Art Katharsis, sowohl für ihn als auch für die Güllener.
Die Lehre von Güllen – Mehr als nur ein Theaterstück
Was nimmt man also mit von diesem Theaterbesuch? Mehr als nur eine spannende Geschichte. Der Besuch der alten Dame ist eine Mahnung, sich der eigenen Verantwortung bewusst zu sein, die Konsequenzen der eigenen Handlungen zu bedenken und sich der Macht des Geldes und der Gruppendynamik bewusst zu sein. Es ist ein Stück, das uns dazu auffordert, moralische Entscheidungen zu treffen, auch wenn sie unbequem sind. Es ist ein Stück, das uns zeigt, wie schnell eine Gesellschaft ihre Werte verraten kann, wenn es um den eigenen Vorteil geht.
Und für Reisende? Vielleicht ist es eine Einladung, auch mal abseits der üblichen Touristenpfade zu wandeln, sich mit der Geschichte und den Geschichten eines Ortes auseinanderzusetzen, sich mit den Menschen und ihren Schicksalen zu verbinden. Denn Reisen bedeutet nicht nur, schöne Bilder zu machen, sondern auch, den eigenen Horizont zu erweitern und die Welt mit anderen Augen zu sehen.
Also, beim nächsten Mal, wenn ihr auf der Suche nach einem besonderen Reiseerlebnis seid, denkt vielleicht an Güllen. Denkt an Alfred Ill und seinen inneren Monolog. Und vielleicht findet ihr ja auch in euch selbst ein Stück von ihm.
Bis zum nächsten Abenteuer!

